Blogtexte Dezember 2010

Prosit Neujahr 2011

All meinen Freundinnen und Freunden und allen Besuchern meiner Seite wünsche ich alles erdenklich Gute für das Neue Jahr. TK. 31.12.10/1.1.11.


Der Sylvesterabend ist gerettet

30 sec. vor Mitternacht: Schau mir in die Augen, Kleines!

Gerade noch die letzten drei Flaschen Rotkäppchen im Supermarkt erwischt, der Sylvesterabend ist gerettet. Nö, ich kriege da nix für die Schleichwerbung. Das Zeug schmeckt mir einfach und ich kann den ganzen Abend dran süppeln ohne müde oder unzurechnungsfähig zu werden. Schließlich wollen wir ja einen schönen langen Film mit Romy Schneider gucken.

Gestern Abend haben wir Casablanca geguckt, den schönen alten Kultstreifen aus Hollywood. Und was musste ich

feststellen: Humphrey Bogart alias Rick sagt gar nicht "Schau mir in die Augen, Kleines". Nein, sondern ... Wie, ihr wisst es auch nicht anders? Na jedenfalls muss ich da in meinem Roman schnell noch eine Stelle ändern, wo darauf Bezug genommen wird.

Also dann euch allen einen wundervollen Sylvesterabend und einen superguten Rutsch in Neue Jahr. Da sehen wir uns dann an dieser Stelle wieder.  TK. 31.12.10


Ich bin jetzt bei Facebook, wow! Wow?

Ein Nachzügler geht mit der Zeit

Ich bin immer einer der letzten. Einer, der letzten, die einen Computer anschafften, die mit emails anfingen und so weiter. Und eben auch mit Facebook.

Wer mich rum gekriegt hat? Ein schöne Frau aus dem Schwäbischen, mit der ich in einem Forum spannende pn austausche. Ich wollte endlich mal sehen, wie die ausschaut, die mir immer "ein Drückerle" schickt. Da verwies sie mich halt auf Facebook. Das war Grund genug.

 

Ich melde mich also an - und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus: alle, die ich mal kannte, sind schon drin, fast alle. Sogar meine erste Geliebte nach der ersten Ehe. In Australien ist sie jetzt, Donnerwetter!  Oder die beiden Leiter meines spannendsten Selbsterfahrungseminars. Na und die eine oder andere Autorin, mit der ich in Kontakt stehe. Und schon lädt mich eine Frau, mit der ich mal im Tantra zusammen saß, als Freund ein. Huiiii, wie das alles geht. Und, ach ja, die Schöne aus dem Schwäbischen, die ist wirklich schön, das weiß ich jetzt! Dank Facebook.

Tja, soll ich jetzt stolz sein, dass ich die Kurve noch gekriegt habe? Zumindest gespannt, ob es außer Fun auch ein bisschen nützlich ist. TK. 28.12.10


Liebessucht zu Weihnachten

Elsa Riegers heißer und flippiger Roman über Sucht und Süchtige

Das Buch kam - witterungsbedingt verzögert - tatsächlich am Heiligen Abend bei mir an.  Ich habe dann den Fehler gemacht, einfach mal so ein bißchen reinzulesen, wie man das halt so macht. Ab dann gab's kein Halten mehr. Ich musste das tatsächlich alles lesen, obwohl mir das ganze Setting total gegen den Strich ging. Aber mehr will ich hier gar nicht verraten, ihr könnt ja lieber meine ausführliche Rezension lesen. TK. 26.12.10


Ich möcht's mal wieder französisch

Das Neueste von Madeleine Chapsal

Heute kam das ersehnte Päckchen von der Fnac. Das ist das große Literaturkaufhaus in Paris. Drei Titel von Madeleine Chapsal, allen voran ihr neuester Roman A qui tu penses quand tu me fais l'amour? (An wen denkst du wenn du mit mir schläfst?). Nein, das ist kein Sexbuch sondern eins über die Probleme der Kommunikation zwischen den Geschlechtern. Mehr kann ich noch nicht sagen, muss das Buch erst lesen. Logo.

 

Madeleine Chapsal ist ähnlich fruchtbar in der Romanproduktion wie ihre Freundin Régine Deforges (fünfzig Romane die eine, vierzig die andere!), beide dennoch in Deutschland nahezu unbekannt, wenn man mal von  Das Unwetter und Das blaue Fahrrad (als TB bei Ullstein erschienen) von Régine Deforges absieht. Beim letztgenannten Titel ist nicht einmal der dritte Band der Trilogie in Deutschland angekommen.

Bei der gewaltigen Produktion kann Madeleine Chapsal nicht mehr die Jüngste sein. Stimmt. Wer die fünfundachtzigjährige vitale Dame live erleben möchte, schaue sich dieses Video an.  TK. ©   21.12.10


Der Mann aus Tilsit

Thomas Mann alias Armin Mueller-Stahl

Armin Mueller-Stahl wurde gestern achtzig. Das geht mich im Prinzip nichts an, interessiert mich aber. Der Typ war einer der beliebtesten Schauspieler in der DDR (so wie mein Namensvetter einer der beliebtesten Fußballspieler jenes ex-Staates war), fiel aber in Ungnade, weil er die so genannte Biermann-Petition mit unterschrieben hat, na Sie wissen schon. Er landete im Westen, wo er seine Karriere beinahe lückenlos fortsetzte, zum Beispiel als Thomas Mann in Die Buddenbrooks.

Keine Angst, dies wird jetzt kein Filmblog. Mich interessiert gerade nur, was AMS mit mir gemein hat: die Geburtsstadt. Die war Tilsit.

Die Hohe Straße in Tilsit vor ca. 110 Jahren

 

Tilsit? Schon mal gehört? Heutzutage kennt das niemand mehr, man denkt dabei allenfalls an Schnittkäse. Wer weiß schon noch, dass in dieser Stadt einst der Frieden zwischen Napoleon und Preußen geschlossen wurde. In seinen Memoiren berichtet Bonaparte, der von sich immer in der dritten Person spricht ("L'Empereur ordonna ...."), von einem Techtelmechtel mit der Königin Luise, die ihn so becirzt hat, dass er schwach wurde und - so schreibt er selber - wer weiß wie der Friede ausgesehen hätte, wenn der König nicht dazwischen geplatzt wäre und alles verpatzt hätte. Nicht auszudenken.

 

Die Tilsiter waren dennoch stolz auf "ihre" Königin, setzten ihr ein Denkmal und benannten auch die große Brücke über die Memel nach ihr. Die wurde, wie sich das gehört, von deutschen Soldaten bei ihrem Rückzug gesprengt. Genützt hat es natürlich nichts. Dem Größten Feldherrn aller Zeiten verdanken Armin Mueller-Stahl und ich es, dass unsere einst wunderschöne Geburtsstadt heute in Rußland liegt und COBETSK (ausgesprochen Sowjetsk) heißt und nicht mehr ganz so wunderschön ist.  TK. ©   18.12.10


Ein schöner bunter Markt

Der hiesige Buchmarkt in Gefahr?

So vielfältig bunt und schön wie dieser Marktstand in St. Gallen (links) ist auch unser Buchmarkt. Wenn ich durch eine Buchhandlung schlendere, eine traditionelle Sortimentsbuchhandlung, dann sehe ich diese buntfleckige attraktive Vielfalt allenthaben. Aber auf dem Markt in St. Gallen kaufen nicht alle ihr Obst und Gemüse, die Mehrzahl der Käufer zieht es in die Migros oder zum COOP oder gar zum Denner oder ALDI. Und das schon seit einigen Jahrzehnten.

 

Im Buchhandelbereich gibt es diese Supermärkte nun auch, angefangen bei Hugendubl über Thalia und Mayersche bis hin zu Weltbild und im Internet Amazon. Sie erobern ihr Terrain, wie wir wissen, mit teilweise recht rabiaten Methoden, ein Verdrängungswettbewerb der unangenehmen Sorte.

Auch wenn nicht wenige traditionelle Buchhandlungen schon aufgeben mussten, glaube ich nicht, dass die Götterdämmerung des Sortimentsbuchhandels bevor steht. Als das Fernsehen aufkam, wurde der Tod des Kinos besungen, und es sah auch eine Zeit lang so aus, als würde diese Prophezeiung wahr. Nun, das Kino ist in die Knie gegangen und hat sich dann neu erfunden, vielleicht wird es eines Tages im Buchhandelsbereich ähnlich sein.

Ein großer amerikanischer Literaturagent äußerte kürzlich die Auffassung, die Großfilialisten, die auf die aktuellen Bestseller setzen, würden bald das Nachsehen haben zugunsten von kleineren Sortimentern, die intensiv die backlists bedienen. Ich bin nicht Fachmann genug, dies zu überprüfen, aber ein gutes Stück davon wird schon stimmen.

 

Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass viele neue unbekannte Autoren ihre Buchvorstellungen über Amazon machen und zwar in einer Form, die sie einerseits an diese Krake bindet und andererseits die Sortimenter aushebelt.  Dann muss man sich nicht wundern, wenn die Sortimenter Bücher von neuen Autoren aus kleinen Verlagen nicht führen wollen. Meines Erachtens sollten gerade die Autorengruppen, Foren etc. einen Pakt mit den Sortimentern anstreben, nicht mit den Kraken, denen bleibt eh genug. Dann kann unser Buchmarkt auch in Zukunft so aussehen:                               TK. ©   15.12.10


Kommentare

Lieber Till,
hier gebe ich dir unbedingt recht!
Als leitende Bibliothekarin bevorzuge ich den Kauf in kleinen Buchläden (wie ich sie nenne;-))
Die Buchhändler wissen dort genau, wovon sie reden...Dieser Kontakt ist mir sehr wichtig, muss ich doch dann nicht über jedes Buch genauestens Bescheid wissen.
Und auch dort gibt es gute Konditionen - Lesezeichen zu bestimmten Bibliotheks-Veranstaltungen usw...
LG, Edith


Textverarbeitung, ich?

Mein erster Computer - und die weiteren

Ich weiß noch, wie in meinem Umfeld die ersten Computer aufkamen und man auf mich einredete, so etwas müsste ich doch auch haben (wollen). Schon wegen der Textverarbeitung. So ein Quatsch, pflegte ich zu antworten. Ich schreibe meine Texte, was gibt es da zu verarbeiten?

Und dann sitze ich eines schönen Tages in einer kleinen feinen Autorenlesung und einer der mir bekannten Autoren reicht ein Heftchen herum  - mit Texten von ihm, was sonst! Mit den Texten konnte ich nichts anfangen, aber ich war elektrisiert. Warum? Das Heftchen war in einer wunderschönen Schrift gesetzt, die mich total anmachte. Wo hast du das drucken lassen, fragte ich. Das habe ich selber gesetzt und gedruckt. Mit meinem Mac.

Ich wusste gar nicht, was ein Mac ist, aber sowas wollte ich auch. Und was kostet sowas, fragte ich meinen Autorkollegen. Zwanzigtausend, sagte er kühl, inklusive Drucker. Ich bin entlassen worden und habe ne dicke Abfindung bekommen - und sofort in das Teil investiert.

Mir wurde schwarz vor den Augen. Zwanzigtausend. Das war zu DM-Zeiten, aber trotzdem! Schönes Schriftbild adé.

Einige Wochen später fand ich irgendwo (vergessen, wo) einen Artikel mit dem Titel "Poor man's Macintosh", ein Bericht über Atari-Computer. Schnell hatte ich herausgefunden, dass bei Atari ein ordentlicher Computerarbeitsplatz inklusive Drucker um die sechstau- send kostete. Immer noch ne Men- ge Holz, aber ein Schnäppchen gegen den Mac. Ich musste mir zweieinhalbtausend Märker borgen und war dann recht schnell stolzer Eigentümer eines Atari ST4. Einziges Programm: Calamus, eines der ersten WYSIWYG-DTP-Programme. Jetzt konnte ich endlich meine Literaturzeitschrift starten: eros & psyche. Die wunderschöne Schrift des befreundeten Autors war leider nicht dabei, ich war eben doch der poor man, aber ansonsten war ich sehr zufrieden mit dem, was ich nun gestalten konnte.

Na ja, wie man weiß ist der erste Computer immer nur der erste. Und hat Nachfolger. Aber: Atari gab auf. Was nun? Zum Glück hatte sich der Computermarkt rasant entwickelt und die Preise bröckelten schneller als ein VEB-Betriebsgebäude. Bald stand ein Mac in meinem Arbeitszimmer, nicht teurer als mein damaliger ATARI.

 

Ach ja, lang, lang ist's her. Wieviele Computer habe ich kommen und gehen gesehen? Weiß nicht. Heute steht vor mir ein iMac mit 24"-Bildschrim, da kann man wunderbar drauf schreiben, zeichnen, layouten, gestalten. Herrlich. Mit all den wunderbaren Programmen, die da installiert sind, kostet das Vergügen inklusive Drucker, selbst wenn ich korrekt € in DM umrechne, immer noch einiges weniger als der ATARI mit dem Winz-Bildschirm.

Does size matter? Die Frage kennt man eigentlich von anderswo her, aber beim Bildschirm würde ich sie immer mit ja beantworten. Schließlich sitze ich viele, viele Stunden am Tag davor und möchte, dass meine Augen nicht ermüden. Wie sonst soll ich jeden Tag etwas Ordentliches schreiben? Sowas wie diesen Blog hier zum Beispiel? TK. ©   13.12.10


Literatur statt Protokolle

Millet und Mercier als Formulierungskünstler

Das Wichtigste in einem Roman, so steht es in den Lehrbüchern, ist die Handlung. Alles, was die Handlung vorantreibt, ist gut. Alles andere eigentlich überflüssig. Überflüssig ist auch alles, was nur dekorativen Charakter hat, also die meisten Adjektive. Raus damit. Dafür gibt es die Rückschrittaste.

Wenn alle Schriftsteller sich wirklich nach diesen Vorgaben richten würden, wäre das in der Tat rückschritt-lich, dann hätten wir bald keine Literatur mehr, sondern nur noch Protokollsammlungen. Zum Glück ist dem nicht so. Schriftsteller gefallen sich immer auch in besondere Formulierungen, Bilder, Metaphern, die ihrem Text Farbe verleihen und dessen Lesen zum Vergnügen machen.

Bei gewissen Autoren hat man wiederum das Gefühl, dass sie mit ihrer üppigen Metaphorik, ihren kunstvollen Satzschnörkeln und ihrer einfallsreichen unorthodoxen Wortwahl geschickt verbergen, dass die Handlung einen richtigen dicken Roman eigentlich nicht trägt. Man verzeihe mir, wenn ich jetzt nicht Roß und Reiter nenne, beziehungsweise die Beispiele, die mir im Kopf herum gehen. Nur so viel: die kleinen Zitate, die ich im Folgenden als Beispiele für besondere Formulierungen bringe, sind expressiv verbis nicht aus Büchern der zuletzt genannten Art geschöpft. Sie stammen einfach aus in jüngster Zeit gelesenen Büchern von Pascal Mercier (PM) und Cathérine Millet (CM). Also:

 

Das Bilderalbum unseres Gedächtnisses (Catherine Millet)

Die Bahnen unserer inneren Erregung (CM)

Meine Freizügigkeit hatte mich in einen Raum katapultiert ... (CM)

 

Als er .. die geistreichen Aperçus der gut gekleideten Herren von der Sorbonne mit seinem Berner Akzent zu Staub zerstampfte (PM)

Einsamkeit von schwindelerregender Tiefe (PM)

Dicke Wand von abstoßenden Gerüchen (PM)

Nikotingelbe Fingerspitze (PM)

 

Illusionstheater der Verführungskunst (CM)

 

Ich schaute nicht über die Gartenmauer, wo meine Liebhaber-Freunde ihrerseits andere Parzellen ihres Liebeslebens pflegten. (CM)

 

Die automatische, perfekt eingeschliffene Persönlichkeitsspaltung einer Frau, die daran gewöhnt ist, sich selbst etwas vorzuspielen (CM)

 

Eine virtuelle Hautabzieherei (CM)

 

ein Goldschmied der Worte (PM)

 

Das muss man sich einmal reinziehen, dass einer mit seinem Berner Akzent - wohlgemerkt, das schreibt ein Schweizer - andere vornehme Äußerungen zu Staub zerstampft. Stark, nicht wahr?! Ich sammle solche Stellen wie andere Leute Briefmarken. Und dann versuche ich, auch so bildhaft zu schreiben. Noch klappt es nicht so richtig, aber noch ist ja nicht aller Schreibnächte Morgen. TK. ©   11.12.10


Noble Enttäuschungen

Mario Vargas Llosa und die Süddeutsche

Wer schreibt, strebt an, reich und berühmt zu werden. So ist die allgemeine Auffassung - oder soll ich sagen das allgemeine Vorurteil? In der Autorenszene spürt man zwei andere Ziele: einen Bestseller schreiben und den Literatur-Nobelpreis erhalten. Das sind zwar beides hilfreiche Details, um zum eingangs genannten Ziel des Reichtums  zu gelangen, dennoch geht es darum allenfalls nebenbei.

 

Nun, einen Bestseller zu schreiben, das passiert alljährlich schon einer erklecklichen Anzahl von Autoren im In- und Ausland. Aber einen Nobelpreis gibt's pro anno nur einmal. Wer den nun jedoch erhalten hat, so dachte ich jedenfalls bisher, schwebe damit über allen literarischen Niederungen und sei über jede Kritik erhaben.

Seit heute weiß ich, dass das so nicht stimmt, nicht mehr stimmt. Der Kommentator der Süddeutschen hat Mario Vargas Lllosa ziemlich schlechte Noten für seine Rede gegeben, die er in Stockholm anlässlich der Verleihung des Literatur-Nobelpreises gehalten hat. Dabei hat Vargas Llosa nichts Schlimmes, Falsches oder Peinliches vorgetragen. Was also? "Er glänzte durch Verwechselbarkeit", fand Burkhard Müller, tief enttäuscht. Und: "Das sollte einem Literatur-Nobelpreisträger, selbst wo er das große Ganze ins Auge fasst, nicht passieren."

Da fällt mir etwas ein, was ich mal vor langer Zeit in einem Selbsterfahrungs- seminar zum Thema Enttäuschungen gelernt habe: "Das einzige, was im Leben enttäuscht werden kann, sind Erwartungen."  TK. ©   9.12.10


Zähne auseinander

Beobachtungen über hanseatische Informationen und Informanten

Blog Schreiben kann anstregend werden. Immer wieder muss einem was einfallen. Das kann dann zum Beispiel dazu führen, dass man anfängt, Lappalien und Marginalien aufzuführen, Redundantes und Banales. Eine Autorin, deren Homepage ich kürzlich besuchte, berichtet zum Beispiel in ihrem Blog, dass heute ihre Schwiegermutter zu Besuch kommt und dass sie die Blumen gegossen hat. Und was die Katzen machen. Na gut, warum auch nicht? Interessiert vielleicht jemanden.

 

Auf einer Autorenhomepage will man ja eigentlich über das Schreiben schreiben. Nicht immer einfach. Aber ich war ja so listig (oder so vorausschauend), dass ich in der Blogüberschrift gleich angemerkt habe, dass ich "über das Schreiben und über das, was dahinter steckt: das Leben" schreiben will.

Das ermächtigt mich, heute mal wirklich etwas aus diesem realen und banalen Leben zu kolportieren. Zunächst eine kleine Rückblende:

Viele, viele Jahre ist's her, da fragte ich im Bremer Steintorviertel einen Straßenbahnfahrer, ob er zum Hauptbahnhof führe. Seine Antwort: "Bin ich vielleicht die Zehn oder was?" Mehr war ihm nicht zu entlocken.

 

Nun bin ich sicher, dass die Bremer Straßenbahn AG in der Zwischenzeit ihr Personal auch in dieser Hinsicht geschult und den Leuten beigebracht hat, dass man Kundenfragen sachgerecht und freundlich beantwortet und dazu auch die Zähne auseinander machen muss. Das Erlebnis, das ich gestern in Bremen hatte, hat auch nichts mit den Straßenbahnern zu tun.

Hauptbahnhof. Ich komme auf den Bahnsteig, um mit dem ICE, der planmäßig um 14.44 fährt, in Richtung Münster zu fahren. Ich bin sehr früh, es ist vielleicht 14.15. Zu meiner Überraschung steht ein IC auf dem Gleis 7, von dem in einer halben Stunde mein ICE fahren soll. Und dieser IC ist nur ein halber. Ganze fünf Wagen. Und die Lok hat ihre Stromabnehmer unten. Sehr merkwürdig. Auf dem Zugzielanzeiger steht IC nach Passau, Abfahrt 12.44, Verspätung ca. 120 Minuten. Nun werden ja auf diese Weise normalerweise Züge angezeigt, die noch nicht da sind. Also bin ich verunsichert.

Aber da steht ja ein Rotkäppchen und den frage ich, was das für ein Zug sei. "Ein IC", lautet seine Antwort. Wo er Recht hat, hat er Recht, denke ich, obwohl ich nun nicht wirklich schlauer bin. "Und wohin fährt der bitte?" Ohne mich eines Blickes zu würdigen, lässt Rotkäppchen die Worte "Was da oben dran steht" aus seinem kaum geöffneten Mund kleckern. Eigentlich hätte er wohl sagen wollen: Frag doch nicht so blöd, Alta!

 

Im Zug erfuhr ich von den wenigen Reisenden, was wirklich Sache war, denn dort hatte es erläuternde Durchsagen gegeben. Aber das spielt für das, was ich erzählen wollten, keine wirkliche Rolle mehr.  Ist das jetzt ein Bahnmitarbeiterausbildungsproblem oder ein natives Bremer Mentalitätsproblem? Ich weiß es nicht.

Warum ich das alles schreibe? Weil ich keine Katzen habe.  TK. ©   8.12.10


Aus dem Nähkästchen geplaudert

Was LektorInnen wissen (können ) und was nicht

Vor gut einem Jahr sandte ich ein Romanmanuskript an einige Agenturen. Die üblichen Absagen ("Der Funke sprang nicht über" etc.), aber in einer noch recht jungen Agentur hatte die Lektorin genügend Zeit übrig, zumindest die erste Hälfte meines Manuskriptes zu lesen und mir ein ausführliches feed-back zu schicken. So etwas findet heute kaum noch statt, so dass ich besagter Lektorin dafür noch einmal meinen besonderen Dank und meine Anerkennung aussprechen möchte, zumal ich in ihren Kritiken und Korrekturvorschlägen eine Menge Wichtiges und Nützliches gefunden habe, das ich auch verwertet habe. Welche das waren, sage ich hier natürlich nicht (Betriebsgeheimnis).

Es waren aber auch einige Anmerkungen drin, die ich so lustig daneben fand, dass ich schon lachen musste. Unter anderem kritisierte die Lektorin, dass in meinem Text fast alle Frauen Röcke trugen und dass Geldsummen und Preise in DM angegeben waren.  Na ja, die in Rede stehende Handlung trug sich zwischen 1960 und 1980 zu. Da trugen in der Tat noch viele, wenn nicht die meisten Frauen Röcke, sogar die Mädchen in der Schule. Und dass die D-Mark seinerzeit alleingültiges Zahlungsmittel in Deutschland war, hätte die Lektorin wissen können, auch wenn sie damals vielleicht noch nicht zur Schule ging.

 

So, nun habe ich aber mal so richtig aus dem Nähkästchen geplaudert. Doch auch wenn ich mich über die genannten Anmerkungen wirklich amüsiert habe, so bleibt der Gewinn aus den anderen, weniger lustigen kritischen Tipps bestehen. Vielleicht wird ja genau dadurch mein nächstes Manuskript irgendwann irgendwo angenommen.

TK. ©   5.12.10

Worüber schreiben und warum?

Zola, Berry und Hesse als Leitbilder

Ende des neunzehnten Jahrunderts begann die Kunst, besser gesagt einzelne Künstler, sich der Realität zuzuwenden, der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der Arbeitswelt. Das war bei den Malern so - ich denke gerade an die Dielenhobler von Caillebotte oder die Fischer von Michael Anker - aber auch bei den Schriftstellern, den Romanciers. Balzac etwa oder Flaubert. Noch heftiger wurde dann Emile Zola (1840 - 1902), der mit seiner zwanzigbändigen Rougon-Macquart-Romanserie die Schule des Naturalismus begründete.

 

Zu Zolas Prinzipien gehörte es, sich über das Thema eines Romans gründlich zu informieren, zu recherchieren. Das tat er so intensiv, wie vor ihm niemand und nach ihm nur wenige. So studierte er, bevor und während er "Der Bauch von Paris" schrieb monatelang das Leben und Treiben im Bereich der Halles von Paris, insbesondere auch das Verhalten der Menschen, ihre Probleme, ihre Aggressionen, ihr Liebesleben. Ähnlich intensiv studierte er das Eisenbahnermilieu zwischen Paris St. Lazare und Le Havre für den Roman "Die Bestie Mensch".

 

Auch bei den Malern wurde es üblich, das Atelier zu verlassen und dorthin zu gehen, wo die Motive sind: ins reale Leben, in die Natur. Wie weit man dieses Prinzip treiben kann, zeigt das Beispiel des Malers Berry (1864 - 1942). Berry war gut verdienender Kurarzt im noblen St. Moritz und hätte sich ein feines und bequemes Leben gönnen können. Stattdessen zog er, ähnlich Segantini, mit seiner Staffelei und seinen Utensilien hinauf auf die hohen Berge und malte vor Ort. Das ging so weit, dass er sich zum Malen seiner Wintermotive, zum Beispiel der Postschlitten am Julierpass, im tiefsten Alpenwinter mit Sack und Pack, mit Staffelei und Klavier (!) zu einer Hütte in zweieinhalbtausend Meter Höhe transportieren ließ und dann bei Eiseskälte im Freien malte, Tag für Tag. Die Ergebnisse sind anzuschauen im Berry-Museum in St. Moritz.

 

Nun, um wieder zur Schreiberei zurückzukehren: auch heute noch gibt es viele Autoren, die für ihre Romane gründlich recherchieren, damit das Setting stimmt. Lobenswert. Dennoch ist zunehmend zu beobachten, dass dieses Setting nicht die Realitäten dieser Welt sind, nicht die Probleme der realen Menschen um uns herum, sondern entweder ein erfundenes, Lichtjahre entferntes Setting oder eins, das dreihundert Jahre zurück liegt. Das ist gewiss eine Modeerscheinung, warum auch nicht. Zolas Naturalismus wurde seinerzeit sicher als eine ebensolche gesehen.

 

Es steht mir gewiss nicht zu, eine literarische Entwicklung zu kritisieren, wohl aber, meinen eigenen Weg zu suchen und zu gehen. Und mich interessieren die realen heutigen Menschen viel mehr als die auf irgendeinem Planenten in einem fernen Sonnensystem. Um mich herum gibt es allenthalben die Probleme, Fragen und Aufgaben, die aus den wichtigsten Themen des menschlichen Lebens erwachsen: Liebe, Sexualität, Beziehungen. In deren Betrachtung liegt mehr als Unterhaltungswert.

 

Mir fällt gerade Hermann Hesse ein, der gesagt hat: "Bücher haben nur einen Wert, wenn sie zum Leben führen und dem Lebenden dienen und nützen, und jede Lesestunde ist vergeudet, aus der nicht ein Funke von Kraft, eine Ahnung von Verjüngung, ein Hauch von neuer Frische sich für den Leser ergibt."

Und an anderer Stelle sagt er: "Das Amt des Dichters ist nicht das Zeigen der Wege, sondern das Wecken der Sehnsucht."

Damit ist angedeutet, was ich in den restlichen Stunden dieses Tages und auch künftig  zu tun habe.  TK. ©   3.12.10


Winterliche Assoziationen

Frieren auf dem Bahnsteig - und in Stalingrad

Es ist Dezember – und es ist Winter. Als ich gestern morgen auf dem Bahnsteig stand und auf meinen fünf Minuten verspäteten Inter-City wartete, fror ich. Ein eisiger Wind blies aus Osten und wirbelte hauchfeinen Flugschnee über die Gleise. Es mochten so fünf bis sechs Grad unter Null sein, aber die heute so gern bemühte gefühlte Temperatur war bei mir so bei minus fünfzehn. Dabei hatte ich noch daran gedacht, das warme Innenfutter in meinen Mandel zu knöpfen und auch statt des Seidenschals den dicken Wollschal zu nehmen. Trotzdem war mir kalt.

Und dann passierte das, was mir in jedem Winter passiert. Vor meinem geistigen Auge tauchten die uralten Wochenschaubilder auf, die im Fernsehen schon so oft wiederholt worden waren: der Marsch der deutschen Soldaten nach der Kapitulation in Stalingrad durch den Schneesturm in die Gefangenschaft. Viele von ihnen hatten keine Mäntel. Erst recht keine mit warmem Futter. Und der Wind blies mit Sturmstärke, und die Temperatur war nicht bei minus fünfzehn Grad, real oder gefühlt, sondern bei realen minus fünfundzwanzig, manchmal auch dreißig.

Das hat natürlich damit etwas zu tun, dass mein Vater vermutlich einer von denen war, die da durch den Scheesturm marschierten - wenn er denn solange gelebt hat. Jedenfalls war sein letztes Lebenszeichen aus dem Kessel von Stalingrad gekommen.

 

Mitte der Fünfziger- jahre habe ich selber einen solchen Winter mit minus dreißig Grad erlebt. Ich war damals Fahrschüler und musste jeden Morgen um sechs am Bahnhof sein. Der Weg dorthin durch den eisigen Ostwind war stets eine Qual. Aber es gab kein Pardon. Die Züge fuhren. Ziemlich pünktlich sogar. Und die Schule fiel auch nicht aus.

 

Insofern kann ich mich in diese Soldaten, die da in die Gefangenschaft marschierten, ein Stück weit hineinversetzen. Wirklich nur ein Stück weit, denn nie war ich so verhungert wie sie, nie so geschunden und verwundet.  Ja, und nun auf dem zugigen Bahnsteig gestern früh kam das Bild wieder hoch. Und die vielen Assoziationen.

In meinem Roman, an dem ich derzeit arbeite, geht es auch um ehemalige Stalingradkämpfer, wenn auch nicht um meinen Vater. Vermutlich ist es gut, auf dem Bahnsteig einmal so richtig gefroren zu haben, um mich wieder anschließen zu können an das Schicksal dieser Männer, die den Wahnsinn anderer auszubaden hatten. Darüber ist schon viel geschrieben worden. Auch ich kann nicht anders, als all dem vielen noch meine ganz subjektive Sicht hinzuzufügen.  TK. ©   1.12.10