Blogtexte Juni/Juli 2012: Ideen und Gedanken über das Schreiben und über das, was dahinter steckt: das Leben

Es geschah bei Cron & Lanz in Göttingen

17. Juli 2012 • Prota und/oder Autor im Caféhaus

In einem meiner allerersten Blogeinträge (am 8.11.2010) schrieb ich über den Caféhaus-Lifestyle der Schritsteller vergangener Zeiten. Als Illustration gab es ein Bild vom berühmten Café de Flore in Paris.

 

Nun, diese Zeiten sind irgendwie vorbei, nicht mal die Münchner oder die Berliner Schriftsteller haben ihr Standard-Caféhaus, wo "man" sich trifft. Naja, und ich am Rande des Ruhrgebietes.... Schwamm drüber.

 

Stattdessen habe ich meinen Protagonisten Jonathan Ravensburger zweimal in ein Caféhaus geschickt, einmal davon in seiner Heimatstadt Göttingen, da kam dann nur Cron & Lanz in Frage, wo ich einst selbst als mittelbeschränkter Student ab und zu mal eine Ochsenschwanzsuppe verzehrte.

Und was kann da groß passieren bei Cron & Lanz? Es ist ja kein Krimi, da wird er hier also keine Leiche finden. Hinter vorgehaltener Hand verrate ich ein klein wenig: Er stößt dort auf eine bedeutsame Kleinanzeige in der Süddeutschen. Na und so weiter.

Diese Kleinanzeige führt Jonathan Ravensburger in ein weiteres Caféhaus in einer anderen Stadt: Bremen. Aber nicht in das links  abgebildete Café Engel. Das frequentierte der Autor in seiner Bremer Zeit (*seufz*), aber auch heute kann man ihn ab und an dort (oder gegenüber im Don Carlos) noch finden. Es ist ja nur zwei Zugstunden entfernt. TK.

 


Fünfzig Grauschattierungen

4. Juli 2012 • Wie man Harry Potter überholt

In einem meiner allerersten Blogeinträge vom Nover 2010 ging es schon um das Thema Erotisches in der Literatur. Ich stelle hier noch einmal die Auffassung, die mir ein befreundeter Autor dazu schrieb, als Zitat ein:

 

Bei erotischen Szenen kann ich nur zur Vorsicht raten. Im Prinzip ist alles möglich und erlaubt, es muss nur zur Schublade passen, in die der Verlag den Text stecken will. Frauenromane à la Kürthy beschreiben gemäßigten Sex aus reiner Frauensicht, Romane wie Elementarteilchen klingen mitunter wie Pornografie, dennoch rate ich zur Zurückhaltung, wenn man als Autor noch ein unbeschriebenes Blatt ist. Verlage sind Angsthasen, und ein Text wird schnell abgelehnt, da langt es schon, wenn einer der Lektoren „Probleme“ hat mit einer Passage. Es genügt mitunter eine einzige Zeile und der Roman wird abgestempelt als „für unseren Verlag zu krass“, „zu explizit“. Da nutzt es nicht, dass es gar nicht stimmt.

So, und nun kommt "50 Shades of Grey" nach Deutschland. Was erwartet uns? Laut Wiki und anderen Schlaumeiern erwartet uns explizite Erotik, in der es um Hingabe und Unterwerfung geht und um BDSM. Wenn mein befreundeter Autor nur ein klitzekleines Bisschen Recht gehabt hätte, wäre das nicht möglich. Ist es aber.

 

Wie ich lese, hat die Autorin ihre Phantasien zunächst auf einer Fan-Fiction Internet-Plattform gepostet. Gratis, einfach so. Dort wurde sie irgendwann herauskomplimentiert und machte auf ihrer eigenen Website weiter. Als ein "Verleger" das heiße Zeug entdeckte, brachte er das als book on demand heraus, was normalerweise eine Einbahnstraße in die Bedeutungslosigkeit ist.

Nicht hier. Hier wurde irigendeine unbefriedigte Ader getroffen und ab ging die Post. Angeblich wollen alle amerikanischen Muttis und Hausfrauen das lesen, und zwar gerade die, die ansonsten immer so scharf auf Gleichberechtigung aus sind, denn im Sex gilt das nicht, da gibt man sein Selbstbestimmungsrecht gerne ab und wird mit den heftigsten Orgasmen belohnt.

Ich kann aus eigener Lektüre noch nichts sagen, aber die Kommentare auf der amerikanischen Amazon-Seite sprechen Bände. Ein Beispiel:

 

Like some other reviewers, what I find terribly depressing is that this is a runaway bestseller and the movie rights are expected to sell for up to $5 million. There are so many highly talented writers in the genre... and erotica is so much more erotic when the author has a command of the language and can make you care about the characters.

 

Da ich in Kürze nach GB fahre, werde ich dort wohl mal die Nase rein stecken. Vieleicht äußere ich mich dann noch einmal dazu. TK.

 

PS: Auf meiner Startseite hatte ich ursprünglich* geschrieben, dass die Startauflage bei Goldmann 50 000 Exemplare betragen soll. Lächerlich; laut Welt sind es 500 000, siehe hier: http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article107301024/500-000-Mal-Schweinkram-fuer-gebildete-Staende.html

*mittlerweile korrigiert


Kommentare:

Zu diesem Blog erreichte mich per email folgender Kommentar:

Dein "befreundeter Autor" hat in sofern Recht, als diese Limits für "normale" Belletristik gelten. In der so genannten schöngeistigen Literatur darf zwar ein Messer in einen Menschen gestochen werden, aber kein Phallus in einen Frauenleib.  Das muss daher schön getrennt bleiben. Die gleichen Verlage, die explizite Erotik auf der einen Seite ablehnen, drucken sie in einem abgetrennten Bereich gleich reihenweise, man schaue nur in die entsprechenden Regale der Buchhandlungen.

Aber das ist auch nur ein Abbild der Gesellschaft: Sexualität wird nicht integriert, sondern abgetrennt, gehört in eine dunkle Ecke. Die Nacktbildchen in der BILD täuschen uns zwar das Gegenteil vor, ändern aber nichts an der Grundtatsache. Und jeder Therapeut weiß, dass gerade das Abtrennen der Sexualität, das Verdrängen, krank macht.

Andreas Berger

 


Lieber Till, ich wollte Dir auch noch was zu den Grauschattierungen sagen, das Thema interessiert doch mehr, als es eigentlich der ganze Hype wert wäre.

Zunächst: ja, wir haben beide das Buch (den ersten Band) gelesen.

Deine Buchhändlerin hat sicher recht, wenn sie die mangelnden sprachlichen Qualitäten anspricht.
Würde man sämtliche Sexszenen weglassen, bliebe auch nur eine ziemlich öde Geschichte, tausendmal gehört, gesehen, gelesen: junge, unerfahrene Frau trifft auf reichen Mann mit düsterem Geheimnis...
Große Literatur ist sicherlich was anderes, aber niemand erwartet ja von einem Pornofilm eine Oscarnominierung.
Wobei: so doll ist es mit der Erotik in den shades auch nicht; da haben wir schon Explizierteres, Geileres gelesen.

Dennoch: war amüsant, mehr nicht.

Und Schaden haben wir auch keinen genommen, das Abendland steht auch noch.

Leute, so schlimm ist es nun wirklich nicht (und vermutlich wird in Bälde sich tatsächlich kaum noch einer daran erinnern).
Michael H.


Antwort von TK: Hier irrt Michael H.: Diverse Folgebände haben eine ganze Grey-Reihe kreiert, deren Auflage sich im mehrstelligen Millionenbereich bewegt. Das Thema ist weiterhin in. Aber noch habe ich niemanden getroffen, der/die zugegeben hätte, von diesen Bänden fasziniert zu sein. *Schulter zuck*

 


Feldpostkarte aus der Hitze

19. Juni 2012 • 70. Wiederkehr des Stalingraddramas nähert sich

Die "Ansichtskarten aus der Kälte", die meinem Roman den Namen gaben, kamen aus Stalingrad, vor fast siebzig Jahren.

Vorher aber kamen Feldpostkarten aus der Hitze. Eine, die im Roman vorkommt, lautete:

Steppe zwischen Donez und Don, 24. Juli 1942,

Liebe Hedwig!

Wir brausen durch die Steppe wie der fliegende Holländer, herrlich! Nur, wenn uns der Treibstoff ausgeht, müssen wir ab und zu eine Zwangspause einlegen.

Wir sind gut ernährt, braungebrannt und guter Dinge, nur ein Problem gibt es: die Hitze (vorgestern an einer Stelle 35°) und die damit zusammenhängende Wasserknappheit. Die Russen haben bei ihrem Rückzug alle Brunnen vergiftet. Aber die Deutsche Wehrmacht ist die beste der Welt, hat der Führer gesagt, die ist nicht aufzuhalten. Knuddele unseren Jungen für mich und lass es dir gut gehen.

Liebe Grüße

Jonathan

Ja, da war die Begeisterung der vorrückenden deutschen Soldaten noch groß. Aber dann kam

Die Katastrophe von Stalingrad

die sich im kommenden Winter zum siebzigsten Mal jähren wird. Und von dort schrieb Jonathan Ravensburger, der Protagonist meines Romans, die Ansichtskarten aus der Kälte. Ja, keine gewöhnlichen Feldpostkarten, sondern richtige Ansichtskarten, die er selber gezeichnet hatte und die in ergreifenden Bildern ausdrückten, was zu schreiben nicht erlaubt war. TK.


Vor Ort

12.6.12 • Was hat Isny im Allgäu mit "Ansichtskarten aus der Kälte" zu tun?

Nein, aus Isny kamen die Ansichtskarten aus der Kälte nicht. Ganz woanders her. Aber die große Antagonistin im Roman kommt aus Isny im Allgäu. Und genau dahin hat es den Autor sozusagen aus Versehen verschlagen, als er nämlich ein in der Nähe liegendes Seminarhaus suchte. So ergab sich quasi ein nachträglicher Lokaltermin.

Isny ist ein sehr hübsches Städtchen im Allgäu, wenn man von Kempten kommt gleich hinter der Baden-Württembergischen Grenze.  Bei seinem Stadtrundgang fiel dem Autor nebenstehende Inschrift an einem Haus in einer engen Seitengasse auf.

Und er meint gerade noch genug Latein zu könnem, um sie zu übersetzen:

 

Im Zweifel die Freiheit

Im Bedarfsfall die Einigkeit

in allem die Liebe

 

Es soll jetzt nicht versucht werden, mit aller Macht einen Bezug dieser Inschrift zum Inhalt des Romans herzustellen. Aber die letzte Zeile, die passt schon gut. Zwar ist "Ansichtskarten aus der Kälte" mit Sicherheit nicht das, was man unter dem Genre Liebesroman versteht, aber das Thema Liebe zieht sich dennoch mehr oder weniger spürbar durch das ganze Buch. TK