Liebesschlösser

Vor rund acht Jahren sollen die ersten Liebesschlösser in Deutschland aufgetaucht sein. Mittlerweile hängen allein an der Hohenzollernbrücke in Köln an die 40000 Exemplare (in Worten: vierzigtausend), die zusammen so an die 20 Tonnen (bzw. vierhundert Zentner) wiegen.

Googlet man "Liebesschlösser", findet man tausende von Eintragungen über die Menge dieser Schlösser und die Probleme, die sie machen, wo sie erlaubt und wo sie verboten sind und wo sie entfernt wurden.

Großes Aufsehen erregte in Frankfurt/M. die Aktion einer Künstlergruppe, die eingesammelte Liebesschlösser honorierte und dann umschmelzen wollte. Ihrer Ansicht nach sind Liebesschlösser "moderne Keuschheitsgürtel. Hier geht es nicht um Liebe, sondern um Besitz. Es ist ein massenhafter Ausdruck von Zwangsliebe und Liebeszwang“. (FAZ)

Hohenzollernbrücke, Köln

Mit geht es hier jedoch weder um die politische noch um die technische Dimension dieses Phänomens Liebesschlösser, sondern um die rein liebesrelevante. Welche Bedeutung und Aussage sollen und können gewidmete Vorhängeschlösser im Zusammenhang des Themas Liebe haben?

Nun habe ich ja gerade erst kürzlich das Buch "Ich liebe dich gerade" von Robert Heeß besprochen und zum Bestseller "Die Liebe" von Peter Lauster ein paar aktuelle Betrachtungen geschrieben. Und an all das, was ich da gelesen und geschrieben hatte, musste ich gestern denken, als ich mit dem ICE nach Freiburg zweimal über die Kölner Hohenzollernbrücke fuhr.

Wikipedia vezeichnet zwar zum Thema Liebesschlösser die Unterpunkte Herkunft des Brauchs, Weiterverbreitung, Kritik und Verbote sowie Rezeption, diskutiert jedoch nicht den Sinn.

 

Alle Lust will Ewigkeit

Friedrich Nietzsche schrieb über die Welt:

 

Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"

 

Liebe erst recht. Vor allen Dingen wollen romantisch Liebende, dass ihre Liebe ewig sei. Sie versprechen es einander, mindestens einer von beiden freiwillig. Aber sie scheinen ihren Schwüren selber nicht zu trauen, weshalb - zumindest symbolisch - etwas nicht rückgängig zu Machendes  den Ewigkeitsschwur ergänzen muss. Wenn man das Liebesschloss abschließt und den Schlüssel in den Rhein, die Seine, die Isar oder ein anderes Gewässer wirft, dann kann niemand mehr dieses Schloss öffnen.

Um das wirklich sicher zu stellen, geht nicht irgendein Billigschloss, das man mit einem Nachschlüssel öffnen könnte, nein, da muss schon ein richtiges, hochwertiges  Sicherheitsschloss her. Weshalb so ein Liebesschloss schon mal fünfzig Euro oder mehr kosten kann. Eine ganze neu entstandene Branche lebt davon.

 

Im Web fand ich folgendes Zitat:

Volkskundlerin Hänel freut sich darüber. Die Liebesschlösser seien ein "schönes Symbol", sagt sie. Sie dokumentierten ein Paradox: Das Bedürfnis junger Menschen nach der Dauerhaftigkeit einer naturgemäß fragilen, zeitlich begrenzten Beziehung. Denn: "Die erste Liebe ist nur selten die letzte Liebe."

Liebesforscher, Psychologen und Philosophen wissen es seit langem: Liebe ist vergänglich, und das manchmal sogar unheimlich schnell. Und der Satz "Die erste Liebe ist nur selten die letzte Liebe" müsste ohnehin eigentlich korrekt heißen: "Die erste Beziehung ist selten die letzte Beziehung."

Und noch zwei Zitate aus dem Web:

Für manche sind sie der Beweis ewiger Liebe, für die anderen die „öffentliche Zurschaustellung patriarchaler Besitzansprüche“

und

Eine Beziehung sollte man führen, nicht vorführen - vor allem nicht im Internet oder an Brücken. Manuel Lorenz, Freiburg, auf fudder.de

Der Leser wird es schon gespürt haben, dass ich es mehr mit den Kritikern als den Verliebten halte. Stimmt. Pech nur, das gerade Letztere dies hier nicht lesen werden, zumindest nicht bis hier, denn romantisch Liebende sind bekanntermaßen (ich erinnere mich an mich selber) für Argumente nicht offen. Und solange sie twenty-something sind, ist das ja trotz allem völlig ok. Wenn ich aber lese, dass auch Vierzigjährige (und älter) meinen, mit einem Vorhängeschloss könne man die Dauer der Liebe sicherstellen, dann muss ich schon im Voraus "Herzliches Beileid" für den Moment sagen, wo sich das Gegenteil erweist.

 

Peter Lauster schreibt in seinem berühmten Bestseller Die Liebe: "Liebe ist etwas, das aus dem Augenblick heraus entsteht und das man deshalb nicht festhalten kann, sondern das nur im Augenblick lebendig ist. Liebe darf zu nichts verpflichten. Sie muss sich frei ereignen können. Liebe darf auch nicht an eine Verpflichtung zu lebenslanger Treue gebunden sein, dann wird sie schwerblütig."

 

 

Ein Vorschlag zur Güte

Ich könnte mir vorstellen, dass erwachsene Liebende, die etwas verstanden haben, ein Liebesschlossritual machen, wobei sie feststellen:

"Wir versprechen einander nichts, wir fordern voneinander nichts, wir wissen, dass das Abschließen dieses Schlosses keine ewige Liebe garantiert, wir wollen damit nur symbolisieren, dass wir uns das wünschen, von ganzem Herzen wünschen." TK.