Wie umgehen mit Konflikten

Ein Beitrag zur Blog-Parade der Mediatorin Christina Wenz                                            3 Kommentare

Christina Wenz ist Mediatorin, Konfliktcoach und Juristin. Auf ihrer Website unterhält sie einen Blog zum Thema Mediation mit immer neuen Tipps und Hinweisen zur Konfliktbewältigung. In diesem Blog rief sie Ende Juli Kolleginnen und Kollegen, aber auch interessierte Laien zu einer Blog-Parade auf zum Thema: "Wie werde ich ein Konflikt-Meister?" Hier mein Beitrag dazu:

Christina Wenz hat ihre Einladung zur Teilnahme an ihrer Blogparade expressis verbis nicht nur an Profis gerichtet, also Menschen, die Coachen und Mediation gelernt haben und professionell ausüben, sondern auch an Laien. Ein solcher Laie bin ich und schreibe daher nicht aus der Warte des Mediators, sondern aus der des Konfliktteilnehmers. Ob das die von Christina Wenz beabsichtigte Pluralität der Konfliktbewältigung eher stört oder belebt, vermag ich nicht zu sagen. Das wird sich zeigen.

 Selbstverschuldeter Konfliktfall

Ich schildere einen Konflikt, den ich selber ausgelöst habe. Am Anfang meines Berufsleben im öffentlichen Dienst hatte ich nach kurzer Zeit einen Konflikt mit dem Dienststellenleiter, also meinem Chef, einem autoritären Typen alter Schule. Ich hatte in einer Dienstbesprechung gesagt, dass er mit zwei Referendaren herabwürdigend umgegangen sei. Dass es plötzlich ganz still im Raume war, signalisierte, dass ich einen faux pas begangen hatte, einen Tabubruch, einen Affront. Alle warteten nun auf einen Gegenhieb des Dienststellenleiters. Der war aber selber so perplex, dass ihm keine passend Entgegnung einfiel. Die Kollegen waren sich aber sicher, dass das ein Nachspiel haben würde. Sie behielten Recht.

 Ein Einschüchterungsversuch

In der folgenden Dienstbesprechung einen Monat später verlautbarte der Chef, dass "Herr K. sich schon mal innerlich darauf einstellen kann, in Kürze an einen anderen Ort versetzt zu werden". Das mag an und für sich nicht als große Bedrohung wirken, er wusste aber, dass ich gerade begonnen hatte, ein Haus zu bauen und dafür viel Geld aufgenommen hatte. Da ist eine Versetzung eine harte Sache, kann zum finanziellen Ruin führen.

 

Ich habe in der Besprechung überhaupt nicht reagiert – was hätte ich dem auch entgegenzusetzen gehabt - bin aber schon einige Tage später in die Landeshauptstadt gefahren, um auf Bezirksebene sowohl mit Vertretern der Behörde als auch mit dem Personalrat zu reden. Was anschließend geschah, ist schnell erzählt: nichts. Von einer Versetzung war nie wieder die Rede. Ich blieb länger bei der fraglichen Dienststelle als der Chef.

 

Die Frage, ob ich in diesem Konflikt gesiegt habe, ist eine der Betrachtungsweise. Habe ich auch Macht oder gar Gewalt ausgeübt? Ich meine nein. Ich habe meine Rechte deutlich vertreten. Mehr nicht. Dass das schon gereicht hat, die drohende Gefahr einer Versetzung abzuwenden, hat mich selber gewundert. Es hätte auch ganz andere, schlimme Folgen haben können.

Die eigene Position klar vertreten

Es gibt den Begriff der klaren Kante. Der hört sich kriegerisch an. Gemeint ist aber eine deutliche Vertretung der eigenen Position, des eigenen guten Rechts. Das Ziehen einer Linie: Bis hierher und nicht weiter! Das kann per se eigentlich kein Akt der Gewalt oder Gewaltandrohung sein. Es kann aber der Ausübung von Gewalt und Ungerechtigkeit entgegen wirken.

 

Der Ruf der klaren Kante ging mir offenbar voraus, als ich gut ein Jahrzehnt später auf eigenen Wunsch an eine andere Dienststelle ging. Der dortige Chef war nicht übermäßig beliebt, weil er auch dazu neigte, seine Untergebenen einzuschüchtern und zu kujonieren.

 

Einmal kam eine Kollegin von einer Unterredung mit dem Chef zurück, hatte verweinte Augen und sagte: „Ich habe gesagt: Das können sie nicht mir machen. Aber er hat mir trotzdem diese Zusatzaufgabe aufgebrummt, die ich nie und nimmer schaffen kann.“ Ich sagte ihr, ihr Fehler sei der Satz gewesen „Das können Sie nicht mit mir machen.“ Denn das entsprach nicht den Tatsachen. Der Chef hatte ihr umgehend gezeigt, dass er das sehr wohl konnte.

 

Aus Sicht eines gewaltfreien Mediators, der die Gegensätze ausgleichen möchte, habe ich sicher nicht korrekt gehandelt, schon ganz zu Anfang nicht, als ich den Dienststellenleiter praktisch vorgeführt habe. Das konnte ein autoritärer Mensch wie er nicht einfach so schlucken.

 

Oliver Triebel schreibt in seinem Beitrag, dass „die Konfliktparteien auf Augenhöhe miteinander verhandeln müssen.“ Das ist aber leichter gesagt als getan, wenn der eine die Macht zu echter Bedrohung hat (und sie auch nutzt), der andere nur seine Unerschütterlichkeit und eben die klare Kante.

Kerstin Wemheuer schreibt in ihrem Beitrag: „Willst Du denn kämpfen? Oder willst Du lernen mit den entsprechenden Situationen und beteiligten Personen besser bzw. anders und energieschonender umzugehen? Leichter gesagt als getan oder? Immerhin gehören zu einem Konflikt mindestens zwei Parteien. Und wenn eine der beiden nicht willig ist, den Konflikt friedlich und respektvoll auszutragen, ist es in der Tat mehr als schwierig.“

Wie kann man es besser machen?

Genau so. Der ganze Vorfall ist schon einige Jahrzehnte her. Professionelle Mediatoren gab es damals noch nicht. Würde das Gleiche aber heute passieren, wie bekäme der mit Versetzung Bedrohte seinen Vorgesetzten in eine Mediation?

 

Dieser Vorfall, der sicher nicht mustergültig sein kann für ein Verhalten im Konfliktfall, hat aber den Effekt gehabt, dass ich in meinem gesamten restlichen Berufsleben nie wieder so entschieden für meine Rechte eintreten musste.

 

Ich betrachte diesen Blogtext nicht als Beitrag für eine Sammlung von guten Prinzipien, Tricks und Methoden für eine erfolgreiche Mediation und eine gewaltfreie Konfliktlösung, das stünde mir nicht zu, sondern eher als herausfordernden Antibeitrag aus der rauhen Lebenswirklichkeit. Für Tipps, wie ich es hätte besser machen können, wie andere es in ähnlichen Konfliktfällen besser machen könnten, bin ich offen und dankbar.

TK. 22.9.16

Alle Beiträge zur Blogparade von Christina Wenz finden Sie hier.


Kommentare

Christina:

Lieber Till, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Deinen Beitrag gefreut habe! Wenn ich es richtig überblickt habe, bist Du tatsächlich der einzige Nichtcoach bzw. Nichtmediator, der an der Blogparade teilgenommen hat. Danke, dass Du zwischen alle Tipps einen Konfliktfall aus Deiner eigenen Berufslaufbahn mit uns teilst. Ja, ich gebe Dir recht, in der Realität ist all die Theorie oft schwer anzuwenden. Aber vielleicht blitzt ja jetzt doch bei dem einen oder anderen Leser beim nächsten Streit ein Tipp aus der Blogparade auf ;-).

Ich muss sagen, ich täte mir sehr schwer, Dir für Deinen "Fall" Anregungen zu geben, wie man "besser" gehandelt hätte, denn wenn ich die Geschichte lese, denke ich Hut ab, der Mann hat voller Zivilcourage gehandelt und die Kolleginnen verteidigt und war auch zum Glück anschließend in der Lage, die Situation gut zu meistern. Ich würde mir sehr wünschen, dass man in solchen Situationen wirklich die Möglichkeit zu einer Mediation hätte, aber oft ist das leider nicht der Fall. Liebe Grüße,

22.9.16


TK:

Liebe Christina, umso mehr fühle ich mich geehrt, dass ich an dieser Blogparade teilnehmen darf, die ja ein erstaunlich großes Echo hervorgerufen hat. Noch habe ich nicht alle Beiträge gelesen, bin aber dran und lerne.

Till  26.9.16


Melanie:

Lieber Till, ich danke dir, dass du mich mitgenommen hast auf eine Reise in deine Vergangenheit. Ich finde es immer wieder spannend Geschichten aus dem echten Leben zu lesen und daraus zu lernen. Liebe Grüße Melanie

28.9.16