Affäre tolerieren? Diskussion in einem Forum

In einem der vielen Foren, die sich mit Fragen von Liebe, Beziehung und Sexualität befassen – sie sind Legion – stieß ich auf einen Thread mit dem Titel „Unter welchen Bedingungen kann eine Frau die Affäre ihres Mannes tolerieren?“ Dieser Strang hatte es in einem Monat auf über 700 posts gebracht, woraus man ja wohl schließen darf, dass das Thema nicht wenige Menschen interessiert.

 Die Thread-Eröffnerin, Maja54, hat ihr Problem dargelegt. Ihr Mann hat eine Affäre, hat sie ihr gestanden und möchte nun, dass sie ihr Placet gibt. Mit der Frage, ob sie das tun soll, ist sie überfordert; da ist so eine virtuelle Community gerade richtig, um sich Ansichten und eventuell Rat zu holen.

Und was passiert? Man hätte es sich denken können. Ein Schwarm von Frauen stürzt sich auf  Maja beziehungsweise ihren Strang und überschüttet sie mit heftigen Ratschlägen. Das kannst du auf keinen Fall dulden. Verlass den Kerl sofort. Was willst du denn mit so einem? Du hast was Besseres verdient, na ja, in dem Tenor halt.

Maja ist nicht faul, hält gut mit. Sie versucht, die Ratschläge zu verarbeiten, zu prüfen, postet. Immer wieder versucht sie, das wilde Geschrei auf ihre ursprüngliche Frage zurückzuführen. Vergebens. Nach dem neunundvierzigsten (!) Post gibt sie auf. Die nächsten zweihundert Posts erfolgen ohne sie.

Eine oder zwei Frauen weichen von Mainstream ab, halten vorsichtig dagegen, dass man die Sache doch auch anders anschauen könnte und werden schnell überstimmt. Doch da ist noch ein Mann, Ulrich01, der theoretisiert nicht, der berichtet ganz sachlich, dass seine Frau eine Affäre hat – mit seiner Billigung.  Wieder stürzt sich das Frauenvolk fast unisono auf den Heretiker. Einige wollen ihn einfach platt machen, andere versuchen, zu hinterfragen, wie  es denn gehen kann.  Ulrich01 bleibt ganz ruhig und souverän, gibt immer wieder gern Auskunft über die Qualität seiner Beziehung, über das Thema Offene Beziehung im Allgemeinen und über seine Befindlichkeit darin im Besonderen.

Die Frauen glauben ihm nicht. Entweder lügt er oder hat sich etwas zurecht gebastelt, ein Konstrukt, um nicht unglücklich zu sein.  Dass er die Nebenbeziehung seiner Frau einfach so duldet und sogar mit trägt, nein, das ist unvorstellbar, das ist inakzeptabel, das ist, das ist, also ist das nicht krank?

Die Sache gerät vollends zur Schlammschlacht, als Moni  postet, dass einer, der seine Frau  gehen lässt, ein Weichei sein müsse. Von so einem würde sie sich sofort trennen. Auch hier antwortet Ulrich01 besonnen und informativ. Moni legt nach. Das einzige, womit sie sich so etwas erklären könne, sei, dass es mit seiner Potenz wohl nicht (mehr) weit her sein könne. Da käme es ihm vielleicht sogar zu pass, das die Frau sich den Sex woanders holt und ihm seine Ruhe lässt.

Auf jeden Fall scheint eine gewisse Einigkeit vorzuherrschen, dass ein Mann, der seine Frau nicht zur Schnecke macht, wenn sie einen Lover hat, kein richtiger Mann sei. Moni zitierte sogar ihre (männlichen) Arbeitskollegen , die „gegrölt“ hätten darüber, dass es solche Männer gebe.

Als der Schreiber dieser Zeilen dann ironisch empfahl, manche Frauen sollten doch lieber ans Mittelmeer ziehen, dorthin, wo ein Mann noch ein Mann sei und seine Frau gegebenenfalls umbrächte, antwortete eine sonnenfisch,  ihr „pazifistisch veranlagter Partner“ würde „dem Rivalen so richtig eine auf die Fresse hauen“. Der sei eben „ein richtiger Mann“. Ein anderer, der es hinnähme, dass sie sich „mit einem anderen Mann im Bett lümmele“, sei ein Weichei.

 

Ganz zum Schluss nimmt der Strang noch eine interessante Wendung. Moni fragt Ulrich01, ob er denn  auch eine Nebenbeziehung habe. Hätte er eine, so sagt sie, könne sie ihn viel besser verstehen. „ Oder ist sie so eine Wahnsinnsfrau und du so ein armes Würstchen?“

 

Auch wenn dies das Forum einer angesehenen deutschen Frauenzeitschrift ist, sind die Frauen darin nicht die Frauen. Und dennoch macht es mich nachdenklich und ein wenig bestürzt, dass von Frauenseite derart intolerant, militant, beleidigend und sogar Gewalt verherrlichend argumentiert wird. Wie groß muss die Angst vor offener Partnerschaft und freier Liebe sein! Da fällt mir ein, dass Erich Fromm, der das bekannte und berühmte Buch „Die Kunst des Liebens“ geschrieben hat, ein weiteres mit dem Titel „Die Furcht vor der Freiheit“ verfasst hat.

Eine Frau, mit der ich mal längere Zeit liiert war, sagte einmal zu mir: „Gib einem Liebenden Freiheit und du tötest ihn.“ Freiheit gehört zu den höchsten Gütern und Werten auf diesem Planeten, und viele Menschen hätten lieber sie als alles andere. Dann zu sagen, für einen Liebenden sei sie der Tod, was für ein Liebesverständnis muss dahinter stehen?! TK ©  


Kommentare

Ich meine zu wissen, um welche "angesehene deutsche Frauenzeitschrift" es sich da handelt. Vor einigen Jahren war ich mal kurze Zeit in dem Forum. Derart heftig ging es da nicht zu, aber so rein von der Tendenz her kann ich mir das gut vorstellen. Zur Sache wollte ich noch sagen, dass ich den Satz „Gib einem Liebenden Freiheit und du tötest ihn.“ eigentlich tragisch finde. Die Formulierung, ein Mann, der eine Außenbeziehung seiner Partnerin dulde, sei ein Weichei hingegen, ist im Grunde skandalös.

Erwin F. 21.8.16