Eva-Maria Zurhorst: Soul-Sex

Die körperliche Liebe neu entdecken. Arkana, München 2014; ISBN 978-3-442-34163-4; 18,99 €

Fifty shades of Soul-Sex

 

 Eigentlich bin ich aus dem Alter, wo man sich mit „solchen“ Büchern beschäftigt, lange raus. Aber wie der Zufall es so wollte, hatten wir kürzlich in Chur ein paar Stunden bis zur Zugsabfahrt übrig, und meine Frau schlug vor, diese in der Stadtbibliothek zu verbringen. Gescheite Tageszeitungen gab es keine, also stöberte ich unter Neuerscheinungen – und schon hatte ich es in der Hand. Das dicke rot beschutzumschlagte Buch Soul-Sex von Eva-Maria Zurhorst.

Das Männliche kaum auszuhalten

 

Eben dieser Zufall sorgte auch dafür, dass ich das Buch nicht an einer Stelle wie diese aufschlug: „Wenn ich ehrlich bin, ist es für eine Frau einfach anstrengend, mit einem Mann zusammenzuleben. Manchmal kann ich das Männliche kaum aushalten.“ Dann hätte ich es vermutlich gleich wieder mit vernehmlichem Knall zugeklappt. Stattdessen traf ich auf Seite 46 auf diesen Satz: „Dat war äscht jeil. Meine Jüte, sowat hann isch noch nisch ärlebt.“ Das war der Kommentar des unbekannten Mannes mit dem Feinrippunterhemd, den die Autorin auf einem Seminar traf und mit dem sie Rücken an Rücken das Erlebnis ihres ersten „Ganzkörperorgasmus“, wie sie es nennt, hatte. Ich war geködert.

 

Natürlich wollte ich es wissen, was es mit diesem Soul-Sex auf sich hat, und stellte die sprachpuristische Frage, wieso das Ding nicht Seelen-Sex heißen konnte, in den Hintergrund. Auf dem Weg zum Bahnhof wusste ich bereits, dass ich mir das Buch zuhause sofort beschaffen würde.

 

Soul-Sex ist kein Blümchensex

 

Nachdem die Autorin – freilich nicht als Erste - die beklagenswerte Situation in den Betten in die Jahre gekommener Ehen ausführlich dargestellt hat, beginnt sie nach Art amerikanischer Lebenshilfebücher den Leser, äh die Leserin mit einer länglichen Reihe von Versprechungen und In-Aussicht-Stellungen zu locken: Soul-Sex ist kein Blümchensex. Soulsex ist sanft und entspannt, aber deshalb nicht weniger lustvoll und ekstatisch als herkömmlicher Sex. Soulsex ist so etwas wie ein Heilmittel. Er kann aus jahrelanger Routine befreien und Frische und echte Nähe ins Bett bringen und eine Ehe „selbst nach Jahrzehnten runderneuern“. Soulsex trägt durch Präsenz tiefer in den eigenen Körper hinein und durch diese Entspannung in etwas, was sich eher mit der Erfahrung von seelischem Einssein beschreiben lässt. In diesem Tenor geht das weiter bis Seite 38. Leider erinnerte mich das in fataler Weise an Software-Handbücher, wo es zu Anfang eines Kapitel heißt: „In diesem Kapitel werden Sie lernen, mit wenigen Mausklicks ganz wundersame Ergebnisse zu erzielen.“ Wenn Sie wissen, was ich meine.

 

Es wirkt sympathisch, wenn die Autorin nicht nur theoretisiert, sondern von sich selbst ausgeht und freimütig aus ihren jungen Jahren berichtet:

 

Ich versuchte mich in der Liebe, aber ich fand immer nur einen Teil von ihr. Wenn mir bei einem Mann warm uns Herz war und ich mich geborgen fühlte, konnte ich mir sicher sein, dass mir irgendwann die Leidenschaft abhanden kam...“ (40)

 

Sex und Liebe blieben ein ewiges Entweder-oder. Entweder liebte ich und fühlte mich eingesperrt oder ich hatte Angst, die Liebe und den Mann wieder zu verlieren. In solchen Fällen war ich aber meist voller Leidenschaft und Lust.“ (41)

 

Ein klares Bild ihres Liebesbegriffes ergibt das nicht, erst recht nicht, wenn sie im Nachklang zu dem geschilderten Erlebnis mit dem unbekannten Mann im Feinrippunterhemd feststellt: „Mein Ganzkörperorgasmus war eine urweibliche Erfahrung der Liebe gewesen – der vollkommenen Empfänglichkeit bei voller Präsenz.“ (51) Na ja, wenn sie Erich Fromm’s „Die Kunst des Liebens“ gelesen hat, so ist dessen Essenz wohl doch schon in Vergessenheit geraten.

 

Sexuelle Liebe auf göttliche Weise

 

Vermutlich gäbe es den Begriff Soulsex und auch dieses Buch nicht, wenn der Autorin nicht eines schönen Tages – wieder so ein Zufall – das Buch „Sexuelle Liebe auf göttliche Weise“ von einem gewissen Barry Long in die Hände gefallen wäre. Das scheint bei ihr der Urknall ihrer Metamorphose gewesen zu sein. Auf Seite 48 bringt  ein erstes Zitat aus diesem Buch sie zur Explosion: „Das grundlegende Leiden der Frau, ihre emotionale Maßlosigkeit, ihre Depression, ihre Frustration .. sind auf das sexuelle Versagen des Mannes zurückzuführen, der während des Liebesaktes ihre feinsten und tiefsten Energien nicht zu sammeln und freizusetzen vermag.“(48)

Aha, der Schuldige ist also gleich zu Anfang ausgemacht, auch wenn die Autorin das abstreitet: „Diese Worte ... trafen mich ins Mark, doch ich schämte mich dafür, denn ich war keine Männerhasserin und wollte auch keine werden. Nichts lag mir ferner, als da draußen einen Schuldigen für meinen Sexfrust und meine Ratlosigkeit zu suchen, aber ich fand nun mal mein Erleben in diesen Worten wieder“. (49)

Man darf gespannt sein, wie sie diesen Widerspruch auflöst. Noch heftigere Resonanz machte wohl ein anderer Satz von Barry Long: „Wo immer ihr Frauen spürt, dass von einem Mann begehrlicher Sex ausgeht und keine euch nährende Liebe, verweigert euch!“ (52)

 

 

Feindbild Begehren

 

Damit kommen wir dem Kern des Problems schon näher. Nicht der Mann als solcher ist der Feind, sondern sein Begehren. Und genau darauf legt Eva-Maria Zurhorst von nun an den Akzent. Etwa wenn sie schreibt: „Unser Sexleben war wie unterm Mikroskop: Ein Hauch zu viel Wollen und Machen von meinem Mann, und schon erstarrte etwas in mir, und ich war gefrustet.“(59)

 

Dieser Mann namens Wolfram, der später noch zum Co-Berater mutiert, musste als erstes zum Soulsex bekehrt werden. Und das war alles andere als einfach.

 

Schließlich legte ich das Buch von Barry Long mit ultimativem Blick auf den Nachttisch. ,Lies es jetzt endlich, oder wir haben ein Problem!’, stand auf meiner Stirn. ... Damit war der Krieg im Zurhorst’schen Bett erklärt.“(55)

 

Kriegserklärung im Bett

 

Und zwar der totale Krieg. Sie „versuchte es auf allen Wegen: Schlaue Vorträge, beleidigtes Gejammer, Brüllen und Toben, Nörgeln und Zicken“. (55)

 

Da würde ich Frau Zurhorst gerne an ihr zweites „Liebe dich selbst...“-Buch erinnern, in dem es heißt: Sind Sie wirklich bereit, den Menschen vor Ihrer Nase sein zu lassen und sich auf ihn einzulassen, so imprägniert und unerleuchtet er in Ihren Augen auch sein mag? Haben Sie wirklich eine neue mitfühlende Sicht auf all die Schmerzen, Blockaden und Ängste, die ihn hindern, sein Potential zu leben? Oder versuchen Sie immer noch, den anderen so zu drehen und zu basteln, bis er so reagiert, wie Sie es bräuchten, um sich nicht selbst bewegen zu müssen?*"

 

Das hatte sie wohl mittlerweile vergessen, stattdessen las sie ihm die Leviten, nein, pardon, aus dem Buch von Barry Long vor, legte Musik auf und nahm ihn einfach in die Arme, schmiegte sich an ihn und gab sich dem Rhythmus der Musik hin. Zuckerbrot und Peitsche könnte man sagen, vor allem Letzteres. Und steter Tropfen höhlt den Stein.

 

Irgendwann entdeckte auch mein Mann diese sanfte, lustvolle Quelle in sich und reagierte darauf ebenso mit einem Glücksgefühl wie ich.“ (57)

 

 

Frau kann nichts falsch machen

 

Es ist in diesem Buch viel die Rede davon, was für „Tölpel“ Männer in Sachen Sex sind, was sie alles falsch machen und was sie lernen müssen.

 

Und die Frau? Die Frau muss dafür sorgen, dass er es lernt und sich verweigern, wenn er es nicht tut. Das Einzige, was Frau beim Mann falsch machen kann ist, sein Falsches zuzulassen und hinzunehmen. Beim Mann selber ist nichts falsch zu machen, und für die Frau gibt es nichts zu lernen.

 

Wenn es im Bett nicht mehr läuft, suchen die frustrierten Partner Zuflucht in Schein- und Fantasiewelten und Ersatzbefriedigungen: Puff, Porno, Prinzen. Die Autorin schreibt ausführlich über Pornografie und lässt auch bei aller Distanz erkennen, dass sie Bescheid weiß. Dass sie dies beweisen muss, indem sie nun auch die Webadresse einer der wichtigsten Pornoplattformen zum Besten gibt, erscheint ein wenig fragwürdig, wie vorurteilslos und amoralisch sie mit dem Thema umgeht, verdient hingegen Respekt.

 

Frauen haben in der Regel wenig oder kein Interesse an Pornografie, mit der berühmten Ausnahme: Fifty Shades of Grey. Warum gerade diese „Sadomaso-Schmonzette“ (Anne Haemig in SPIEGEL ONLINE) , die von US-Kritikern gar „Mommy Porn“ genannt wurde? Überrascht darf man feststellen, dass Eva-Maria Zurhorst eine wirklich plausible Erklärung hat, die zudem nahtlos in ihr Thema passt.

 

Präsenz statt Märchenprinz

 

Da ist es nämlich wenig relevant, dass Grey ein moderner steinreicher Märchenprinz ist, sondern das Besondere an ihm ist, dass er präsent ist, total präsent

In Shades of Grey wird aber nicht nur die weibliche Sehnsucht nach vollkommener männlicher Präsenz berührt, sondern auch etwas anderes, das Eckhart Tolle den „kollektiven weiblichen Schmerzkörper“ nennt.“ (92)

 

Eckhart Tolle, dieser bescheidene, unauffällige Kanadadeutsche („Die Kraft der Gegenwart“ u.a.), gilt mittlerweile als einer der großen spirituellen Lehrer unserer Zeit. Seine Bücher und DVDs erreichen zwar nicht die Auflage von Shades of Grey, sind aber schon sechsstellig, was gerade für den philosophisch-esoterischen Bereich außergewöhnlich ist.

 

Weiblicher Schmerz

 

Dieser kollektive weibliche Schmerzkörper ist die Summe des in Jahrtausenden von Frauen - meist durch Männer - erfahrenen Leids: Jede Art von Gewalt bis hin zu Vergewaltigung, Hexenverbrennung, Verstoßung und Steinigung. Da macht die Fantasie von männlicher Dominanz und weiblicher Unterwerfung auf lustvolle Weise Renonanz. Das ist durchaus nachvollziehbar, auch wenn die ständige Wiederholung gewisser Topoi beim nicht ergriffenen Leser schon mal einen Gähner bewirken kann. Nochmal Anne Hæmig: "Auf gefühlten zehn der 608 Seiten explodiert niemand."

 

Doch zurück zu Soul-Sex. Was hat der damit zu tun? Vergessen? Dann muss ich es wiederholen: Das Thema Präsenz. Genauer: die fehlende Präsenz der Männer beim herkömmlichen Sex, die die Autorin für die Wurzel des Übels hält. Nun ist Präsenz ja kein Alltagsbegriff, viele Menschen benutzen ihn nie. Was genau die Autorin damit meint, kann sie wohl auch nicht beschreiben. So muss man damit vorlieb nehmen, was der Mann statt Präsenz mit ins Bett bringt: sein Wollen, sein Begehren, sein Machen, sein Drängen und - last not least - sein Abspritzenwollen. Und letztlich liegt genau da der Hase im Pfeffer.

Dass der Mann seinen Samen in eine Vagina verspritzen will, ist aber keine Fehlschaltung, sondern sein genetischer Auftrag. Männer sind von der Schöpfung so programmiert, dass sie im Sinne der Fortpflanzung ihren Samen in eine Frau spritzen, so direkt und unumständlich wie möglich. Weiter gibt es nichts tu tun, der Mann kann weiter ziehen und jagen, in den Krieg ziehen oder halt eine weitere Frau mit seinem Samen füllen. So brutal das klingt, nichts anderes ist vorgesehen.

 Dass der Mann bei der geschwängerten Frau bleiben und für sie und den gemeinsamen Nachwuchs sorgen soll und will, ist eine kulturelle Errungenschaft,  nicht Natur. Viele Männern haben sich von dem ursprünglichen Status noch kaum entfernt und rammeln immer noch wie ein Hengst in der Beschälstation, der auch keine weiteren Obliegenheiten hat.

 Diese unterschiedliche Programmierung von Frau und Mann, die immer wieder zu Beziehungsschmerzen führt, könnte man auch als Ergebnis der Vertreibung aus dem Paradies sehen, und jede Generation muss erneut durch kulturelle Anstrengung und letztlich auch persönliche Entwicklung versuchen, diesen Abgrund zu überbrücken.

Brüllen, nörgeln, zicken

Genau das will Eva-Maria Zurhorst natürlich auch, wenn sie fordert, dass dem Mann dieser naturgegebene Trieb, sein Begehren und sein Wollen abtrainiert werden sollen und der Frau dazu auch jedes Mittel recht sein darf (ich erinnere: „beleidigtes Gejammer, Brüllen und Toben, Nörgeln und Zicken“), dann kann kein Friede zwischen den Geschlechtern entstehen, auch wenn Mann Wolfram dahingehend umgeformt werden konnte.

 Besser wäre es, der Mann würde selber erkennen, dass seine ursprüngliche Programmierung mit einer Liebesbeziehung, wie wir sie heute verstehen, nicht in Einklang zu bringen ist. Und da wäre eine autogene Loslösung von diesem Abspritzen-Müssen ein bedeutsamer erster Schritt. Dazu will Frau Zurhorst ermuntern, wenn sie schreibt: „Soulsex zeigt, dass ein Samenerguss nur ein schnödes Vergnügen ist im Vergleich zu einem Orgasmus, der sich im ganzen Körper in wohligen Wellen ergießt“. (30) Woher kann sie das haben? Möglicherweise von David Deida, dessen Bücher ihr vor Jahren in die Hände fielen und mit denen sie zunächst nichts anfangen konnte.

 Deida schreibt in seinem Buch „Der Weg des wahren Mannes“: „Sie werden die Ejakulation nicht freiwillig umgehen, bevor Sie nicht das weitaus größere Vergnügen erlebt haben, das jenseits von ihr liegt.“ Für ihn ist die Ejakulation nicht viel mehr als ein „genitales Niesen“ und er schreibt weiter: „Ein überlegener Mann kann sich manchmal entscheiden zu ejakulieren. Aber er trifft diese Entscheidung aus freien Stücken schon vor dem Sexualakt, nicht wenn es zu spät ist, im letzten unkontrollierbaren Moment.“

Dass die Autorin mit Deida nicht so gut klar kommt, mag möglicherweise daran liegen, dass es ihm darum geht, das Begehren des Mannes, das bei ihm - anders als bei ihr - eine positive Konnotation hat, zu erhalten und nicht mit dem Ejakulat aus sich heraus zu schleudern. Denn, das weiß jeder Mann und jede Frau: Hat der Mann sich verspritzt, ist sein Feuer zunächst einmal erloschen und die Frau wartet auf „seine tiefsten Gaben“ (Deida), während er „geschwächt auf dem Ruhekissen des Nichtverlangens ruht.“

Statt also dieses phantastische mit Überraschungen prall gefüllte Buch von David Deida ins Spiel zu bringen, verschweigt sie es (auch im Literaturverzeichnis) zugunsten seines Buches „Erleuchteter Sex“, aus dem sie ein immerhin vier Seiten (!) umfassendes ziemlich verquastes Mammutzitat bringt, was umso unverständlicher ist, als sie hundertzwanzig Seiten vorher noch halbironisch Frauen kritisiert hat, die im Tatra „den irdischen, unangenehmen Begegnungen mit ihren Männern ... entfliehen oder um endlich den perfekten Sex – aber diesmal mit Erleuchtung – zu erleben“.

Ein Buch für "wir Frauen"

 

Eva-Maria Zurhorst hat expressis verbis ihr Buch vorrangig für Frauen geschrieben, und mit Formulierungen wie „wir Frauen“ oder „für uns Frauen“ reibt sie dies dem Leser ständig unter die Nase. Aber sie hat es nicht für alle Frauen geschrieben, sondern für solche Frauen, die auf eine besondere Art ticken, die so ticken wie sie selber. Sie ist sich selbst das Fallbeispiel Nr. 1. Sie schreibt sozusagen pro domo und damit – mit Verlaub – aus einer Art Froschperspektive. Sie schreibt für die Frauen, die mit Sex, mit „herkömmlichem Sex“, wie sie ihn gerne nennt, so ihre Probleme haben, die eigentlich genug haben vom Sex oder ihm zumindest distanziert gegenüber stehen, letztlich also für Frauen, die nicht begehren und auch nicht (mehr) begehrt werden wollen.

 

Denen bietet sie ihre heilende Alternative unter dem Markenzeichen Soul-Sex an. Was das „soul“ darin ist, erklärt sie ausführlich, was „sex“ daran sein soll, bleibt vage und kaum greifbar. Es geht um „die feine weibliche Lust“, dieses ephemere gasförmige, auf jeden Fall nicht greifbare Phänomen, das durch die Tätigkeiten des Mannes, die wir gemeinhin mit dem Sex verbinden, nur gestört und verstört werden kann. Also muss der Mann lernen, sich darauf einzustellen, sein Verhalten ändern und „es“ ganz anders machen, am besten nichts.

 

 

Als ich das las, fiel mir ein älteres Buch ein mit einem Satz der Hamburger Psychotherapeutin Viola Frick-Bruder: „Viele Frauen ... suchen und rühmen den sensiblen, einfühlsamen Partner, weil der ihnen erspart, etwas von sich selbst zu erkennen zu geben. Sie brauchen den Traummann, der alles errät und alles schon weiß.“ Und wenn das noch nicht der Fall ist, dann muss er halt mithilfe der Ratschläge aus diesem Buch dahin gebracht werden.

 

Schlussendlich läuft es darauf hinaus, dass der Mann es einer Frau Recht machen soll, einer, die eigentlich gar keinen Sex will, wohl aber „diese feinen weiblichen Wonnen“ erleben möchte. Gilt eigentlich nicht mehr, dass, wenn zwei sich treffen wollen, optimalerweise beide aufeinander zugehen?

 

Und dann fiel mir noch die Soziologin Barbara Sichtermann ein, die Anfang der Achtziger intensiv in der Feminismusszene mitgespielt und publiziert hat. Und eines ihrer Themen war der weibliche Orgasmus. In der seinerzeitigen in-Zeitschrift „Freibeuter“ schrieb sie: „Ein Orgasmus, wenn er zustande kommt, hat immer eine Geschichte, die Geschichte eines Begehrens und einer Erregung. ... Das Problem der Orgasmuslosigkeit ist ein Problem der Zeit, des Verhaltens, des Erlebens vorher ... einer Geschichte der Lust, d.h. des Sich-Entwickeln-Könnens von Begehren.“

 

Dem Feminismus hielt sie vor, versäumt zu haben, eine Kultur des weiblichen Begehrens, der weiblichen Sexual-Subjekt-Rolle entwickelt zu haben. Und dieses Nicht-Begehren und diesen Verzicht auf die Sexual-Subjekt-Rolle versucht Eva-Maria Zurhorst heute, fast fünfunddreißig Jahre später, zu retablieren.

 

Superjob für Mann Wolfram

 

Die Autorin hat schon Recht, wenn sie gleich zu Anfang sagt, Soulsex sei kein Blümchensex. Er ist viel weniger als das. Nach meiner persönlichen Auffassung ist Soul-Sex nicht das Angebot, das es braucht, um Männer vom ihrem Ejakulationszwang abzubringen oder meinetwegen zu „heilen“. „Der Weg des wahren Mannes“, den David Deida aufzeigt wiederum setzt viel zu weit oben an. Zwischen der real existierenden Abspritz-Sexualität und der untersten Stufe des von Deida beschriebenen Weges klafft eine große Lücke. Hier eine für viele Männer begehbare Brücke zu schlagen wäre ein Superjob für Wolfram Zurhorst gewesen, den die Autorin ja immer gerne ins Boot holen möchte. Aber mehr als den müden Rat

 

Die Erregung fahren Sie ganz einfach runter, indem Sie Ihren Penis nicht mehr wie selbstverständlich mit voller Intensität durch Reibung und Bewegung stimulieren, bis Sie heiß sind und er überkocht und ejakuliert.“ hat er leider nicht zu bieten. Das reicht nicht. TK.

 

Im Vergleich dazu interessant: Der Weg des wahren Mannes

 

 

*E.-M. Zurhorst: Liebe dich selbst und freu dich auf die nächste Krise, Goldmann, München 2011, ISBN: 978-3-442-21969-8, S. 88/89